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"Being a Woman Artist"

Interview mit Li Koelan über Kunst und Feminismus

von Dorothee Robrecht, www.dorothee-robrecht.de

Li Koelan, Foto: Anja Bischoff

Li Koelan, Foto: Anja Bischoff

Die niederländische Künstlerin betreibt in Berlin einen eigenen Kunstraum. Sie bezieht sich in ihrer Arbeit auf feministische Philosophie und hat international ausgestellt, u.a. mit Marina Abramovic. Vom 23. Oktober bis 11. Dezember 2015 zeigt sie ihre Arbeiten in der Galerie Pflüger68.

Frau Koelan, Sie haben sowohl Kunst als auch feministische Philosophie studiert. Das ist eine vermutlich eher seltene Kombination.

Für mich waren die französischen Philosophinnen im Umkreis der Écriture Feminine Bewegung immer wichtig, schon vor meinem Kunststudium Anfang der 80er Jahre. Besonders Luce Irigaray – ihre Texte waren ein Aha Erlebnis für mich, Brot für meine verlorene Seele. Ich konnte nicht aufhören, sie zu lesen, obwohl ihre Texte oft unglaublich kompliziert waren, doch das Gefühl, als Frau in einer für mich fremden Welt zu leben, war dank ihr nicht länger nur eine subjektive Befindlichkeit. Mein verrücktes Gefühl bekam plötzlich eine philosophische Begründung. Ich habe Malerei und Skulptur in Breda studiert, und als Irigaray 1982 eine Gastdozentur in Holland hatte, habe ich die Gelegenheit ergriffen und zusätzlich auch Philosophie studiert, mit dem Schwerpunkt sexuelle Differenz.

Luce Irigaray spielt eine Rolle in Ihrer aktuellen Ausstellung, die eher einer Installation gleicht als einer klassischen Ausstellung: An den Wänden hängen Büschel langer schwarzer Haare neben mixed-media Darstellungen einer nackten Frau, die ihre Haare wäscht. In der Mitte des Raumes stellen Sie Briefumschläge aus, adressiert an Ikonen feministischer Literatur und Philosophie, darunter auch an Irigaray. Sind diese Briefe das Zentrum Ihrer Installation? Der Mittelpunkt, der alles erklärt?

Nein, diese imaginären Briefe sind ein Zeichen meiner großen Dankbarkeit diesen Frauen gegenüber. Sie haben mich grenzenlos beeinflusst, sie haben meinem in-der-Welt-sein Hände und Füße und vielleicht sogar einen Körper gegeben.

Der weibliche Körper ist sehr präsent in ihren Arbeiten oder genauer vielleicht: wie eine Frau mit ihrem Körper umgeht. Die Frau, die sich in Ihren Zeichnungen und Collagen wieder und wieder die Haare wäscht - sind Sie das?

Es sind Bilder meines Körpers. Entstanden sind sie, als eine Liebe zu Ende ging und ich mich körperlich völlig erschöpft fühlte. Nur über täglich mehrmaliges Baden oder Duschen konnte ich meinen Körper spüren. Irgendwann fing ich an, diese Erfahrung in Skizzen und Zeichnungen festzuhalten und merkte, wie sich mein zerstörtes Wesen so beruhigte.

Würden Sie diese Bilder als privat oder selbsttherapeutisch bezeichnen?

Sie sind weder das eine noch das andere. Die Arbeiten sind persönlich, aber das Stadium des Privaten haben sie im Prozess der künstlerischen Darstellung hinter sich gelassen. Sie sind objektiv in dem Sinn, dass sie auch andere berühren können. Und ich finde, es gibt einen ganz klaren Unterschied zwischen Kunstwerken und therapeutischen Arbeiten. Auch wenn der künstlerische Prozess für mich ein Heilungsprozess war – was ich ausstelle, sind ja nicht die ersten gekritzelten, hässlichen und ausgekotzten Skizzen.

Ein Künstlerin, die auch "Ausgekotztes" zeigt und enormen Erfolg damit hat, ist die Britin Tracey Emin. Mit ihr hat ein Kurator Sie einmal verglichen.

Er hat das gemacht, weil auch Tracey Emin ihr persönliches Leben zum Thema macht, aber er hat auch gesagt, dass meine Arbeit anders ist, weil sie über reine Selbstreflexion hinausgeht. Mag sein, dass es in Handschrift, Bildgestaltung und Materialgebrauch Parallelen gibt, aber Tracey nimmt ihre Körperlichkeit wirklich zu 100% als Ausgangspunkt ihrer Kunstproduktion, und das tue ich nicht. Bei mir ist Körperlichkeit eher eine Art Durchgangsstadium zu Bewusstsein oder Seele.

Wie erklären Sie sich den außerordentlichen Erfolg von Tracey Emin? Würde ein solcher Erfolg auch Ihnen etwas bedeuten?

Ich denke, dieser Erfolg hat mit dem sexuellen Charakter ihrer Arbeit zu tun, zumindest in den Anfängen, als noch nicht so sichtbar war, dass es bei ihr eigentlich um Verletzlichkeit geht, die Verletzlichkeit des Körpers. Ich habe so einen Erfolg nicht und werde ihn nie haben, was auch gut ist. Er würde mir in meiner Entwicklung als Künstlerin nicht weiterhelfen, höchstens finanziell. Aber Geld ist nicht Ziel der Kunst.

Wie Sie verortet auch Tracey Emin sich im feministischen Diskurs. Denken Sie, dass eine solche Verortung einer Künstlerin schadet?

Das weiß ich nicht. Ich jedenfalls habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich "a woman artist" bin. Das ist Ausgangspunkt, Thema und Ziel meines Lebens. Es zu verleugnen, würde mir mehr Schaden zufügen als jede Ablehnung von außen.

In der aktuellen Ausstellung ist ein wunderschönes transparentes Kleid aus Plastik zu sehen, mit kleinen Fischen, die eingenäht sind in die Säume. Was hat es damit auf sich?

Das ist das Venuskleid, das Kleid der Liebe. Es erinnert an ein Brautkleid und ist für mich mit einer wichtigen Aussage von Luce Irigaray verbunden, frei übersetzt: "Wir werden auf die Rückkehr des 'ich habe lieb' warten müssen, oft eine lange Zeit ... manchmal für immer."

Li Koelan im Web

www.likoelan.com

www.kunstraum-art-uhr.com

kunstmachtstark.wordpress.com

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